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Das
schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht
Vortrag,
gehalten im Okt. 2005 auf der sprechwissenschaftlichen Tagung "hören,
lesen, sprechen" in Heidelberg.
Erschienen im Band: "hören, lesen, sprechen" Hrg. Wagner, Brunner, Voigt-Zimmermann,
bei E. Reinhardt, 2006
Autor: Dipl. Psych. M. Wolfart
1)
Einleitung
Was sie im Titel meines Vortrags hören, nennt man in Bayern
einen "Wolpertinger". Das ist ein ganz seltenes Tier, das den Körper
eines Bibers, Froschfüße, Truthahnflügel und im Maul Wildschweinhauer
trägt. Man schickt in den Alpen vor allem preußische Touristen des nachts
auf die Jagd nach diesem Tier und lässt sie dann vom Oberförster verhaften,
weil das Tier streng geschützt ist und deshalb nicht gefangen werden
darf.
Sie dürfen raten, was die klugen Alpenbewohner damit metaphorisch
den frustrierten Rest -Deutschen mitteilen wollen…..
Man könnte annehmen, dass das sprachliche Monster, das
durch die Vermengung dreier gebräuchlicher Redensarten entstanden ist,
völlig sinnentleert und nur noch grotesk wirkt.
Wenn Sie jedoch ihr Gefühl beim Hören dieses Satzes prüfen, werden Sie
feststellen, dass dies nur in ganz geringem Maße der Fall ist:
Es ist nach wie vor klar, dass hier etwas Ungehöriges, Unerfreuliches
den Gipfel der Unerträglichkeit erreicht hat. Nicht nur scheint der
Sinn der "verwursteten" Redensarten noch erhalten, er scheint sogar
noch verstärkt, noch eindrücklicher.
Dies hat mit der grundsätzlich a-logischen, paradoxen Eigenschaft
metaphorischen Redens und Denkens zu tun, auf die ich später noch
genauer eingehen will.
Nur so viel vorweg:
"Die Metapher ist weder "logisch richtiges Denken", noch ist sie ein
Denkfehler….
"Gerade ihr paralogischer, doppelbödiger Kern, ihre Paradoxie ist ihr
Betriebsgeheimnis, mit dem sie z.B. in der Psychotherapie die Einbildungskraft
des Klienten entfesseln kann und sein Sinnreservoir für veränderte Lebensperspektiven
öffnen kann." (H.R. FISCHER,2003)

Übrigens gilt dies in ähnlicher Weise für den Witz. Im
3. Reich gab es den Witz "Jude beißt deutschen Schäferhund"…darin scheint
blitzartig eine wichtige Information über die Machtverhältnisse auf,
die jedoch auf einer nicht-intellektuellen, sondern fast körperlich
erlebbaren Ebene daherkommt.

2) Was ist metaphorische Sprache
und wo wird sie benutzt?
Ich will Sie nicht langweilen mit den schier endlosen
Versuchen zu definieren, was eine Metapher eigentlich ist. Es gibt dafür
an die 125 voneinander abweichende Definitionen.
Folgt man KARL BÜHLER (1934) so ist das Phänomen "Metapher" ein so allgegenwärtiges,
dass man eher nach Reservaten nicht-metaphorischen Redens suchen müßte:
Er schreibt :
"Wer die sprachliche Erscheinung, die man Metapher zu nennen pflegt,
einmal anfängt zu beobachten, dem erscheint die menschliche Rede bald
ebenso aufgebaut aus Metaphern, wie der Wald aus Bäumen". (!)
Dennoch gibt es natürlich Bereiche, wo metaphorisches Reden scheinbar
verpönt ist, wie etwa in den exakten Naturwissenschaften und andere
Bereiche, wo es geradezu inflationär wuchert.
Es wäre einen eigenen Vortrag wert, zu beleuchten, wie
wir in der medial überfluteten Welt von den Bildern immer weniger berührt
werden, wie sie deshalb immer drastischer gewählt werden, um uns noch
zu erreichen und wie wir letztlich die Wucht ursprünglichen Erlebens
vielleicht nur noch erreichen können, wenn wir wieder Platz schaffen,
uns meditativ leer machen, mediale Askese betreiben. Doch dies ist ein
eigenes Thema.
-
Die frühesten Zeugnisse menschlicher Sprache, wie
etwa die Welterschaffungs-Mythen, ja der Mythos allgemein,
bestehen zur Gänze aus Metaphorik. Die Erschaffung des Menschen aus
Lehm in der Genesis…..der Apfel am Baum der Erkenntnis und die Vertreibung
aus dem Paradies, …..die Götter-Mythen der Griechen.. usw. usf… sind
bis heute Bilder von bezwingender Kraft. (vgl. die Kreationisten-Diskussion)
Aber auch unsere Märchen enthalten oft sehr tiefe metaphorische Bilder
für klassische menschliche Konflikte.
-
Lyrik und Dichtung scheinen seit jeher und
immer noch ohne Metapher nicht leben zu können,
-
Theater und Oper sind szenisch dargestellte
Metaphern für menschliche Schicksale und Konflikte
-
Lehr-Reden, in denen altes und neues Wissen
vermittelt werden soll, bedienen sich seit alters metaphorischen und
gleichnishaften Redens, denken wir nur an die Gleichnisse und Metaphern
in den Reden Jesu oder Buddhas.
-
Die politische Rede -das brauche ich einer
Versammlung von Rhetorikern nicht erklären - sind umso durchschlagender,
je treffender die verwendeten Bilder sind.
-
Kinderbücher und Cartoons transportieren ihre
Inhalte über Tierfabeln. Obwohl jedes Kind weiß, dass es kein Hase,
Maulwurf oder Drache ist, sind die identifikatorischen Prozesse über
Häschen-Maulwurf-und Drachengeschichten offenbar viel wirksamer, als
wenn von Kinderschicksalen direkt berichtet würde.
-
Schließlich die Heilkunst jeder Form bis hin zu
Psychotherapie: Auch hier ist die Metapher schon immer zu Hause.
Angefangen von den schamanistischen Praktiken, dem Exorzieren böser
Geister, über den nicht erst von Sigmund Freud gefundenen Königsweg
der Deutung von Trauminhalten (die ja nichts anderes sind, als vom
kreativen Unbewußten erfundene Metaphern) bis hin zu den sorgsam geplanten
Fabeln und Geschichten in einer modernen Hypnotherapie:
Von hier aus, d.h. aus der Perspektive meines Berufs
als Psychotherapeut, möchte ich Ihnen im Folgenden etwas über die
Funktionsweise metaphorischen Sprechens mitteilen, das Ihnen hoffentlich
auch in anderen rhetorischen Kontexten von Nutzen sein kann.
3) Die Metapher in der Psychotherapie:
Uns Therapeuten geht es weniger um die Kunst des schönen
Redens. Vielmehr interessiert uns, ……"wie die gesprochene Sprache (….)
so auf den Gesprächspartner einzuwirken vermag, dass sie Emotionen hervorruft,
die an bestimmte Bedeutungen gekoppelt sind". (BOSCOLO et al., 1993)
Das heißt, nicht jedes metaphorische Bild, das dem Therapeuten gefällt,
kann diese Wirkung entfalten. Es muß zu der inneren Bilderwelt des Klienten,
zu seinem Erfahrungs-Repertoire passen. Und er muß von seiner augenblicklichen
Erwartung und Gestimmtheit her empfänglich sein für die Botschaft.
Um dies zu erreichen, ist u.U. die vorbereitende Inszenierung, die erwartungsvolle
Stille im Theater fast ebenso wichtig, wie das Stück, das dann gespielt
wird.
Erst die partielle Resonanz zwischen dem inneren Bild, das die
Patientin von ihrem Leben, von ihrer gegenwärtigen Lage und von ihrem
Problem hat und dem metaphorischen Angebot des Therapeuten vermag jenen
spezifischen Effekt der Verflüssigung der vorhandenen Bilder, der produktiven
Verwirrung und schließlich der Neu-Ordnung festgefahrener Lösungsmuster
zu bewirken, den wir Therapie nennen.
Dazu einige Fall-Beispiele, an denen die Funktionsweise
metaphorischer Bilder deutlich wird:
1. Fallbeispiel (der genickte Baum):
Ein ca. 35 jähriger Mann, der wegen seiner Stimm in Behandlung ist,
hat sich eine schmerzhafte Lumbago zugezogen und kommt dennoch - gebückt,
und unter Schmerzen- in die Sprechstunde. Ich biete ihm eine entspannende
Phantasiereise an, bei der er liegen könne und sich nicht weiter anstrengen
müsse. Er ist erpicht auf die Entspannung und auch neugierig auf dieses
Experiment, weil er so etwas noch nie gemacht hat. Aus der letzten Stunde
weiß ich, dass er ein leidenschaftlicher Gärtner ist. Er hat mir lange
von seinen Bemühungen um seine Obstbäume erzählt. Das inszenatorische
Element besteht nun darin, dass die Liegematte vorbereitet wird,
dass der Patient sich umständlich darauf niederlässt und dass einleitend
nochmals genau beschrieben wird, wie er da liegt, wo er Berührung mit
der Unterlage hat, was er hört und sieht usw. Danach erst beginne ich
mit einer entspannenden Atemübung. Der Patient geht erstaunlich schnell
in hypnotische Trance, womit ich nicht unbedingt gerechnet hatte.
Ich erzähle ihm von einem jungen Obstbaum, der vom Sturm geknickt wurde
und den nun ein liebevoller und sachkundiger Gärtner wieder schient
und gerade richtet. Eingehend wird in der Geschichte von dem langsamen
Sich-wieder-Aufrichten des Baums gesprochen, von den Säften, die wieder
ungehindert fließen, von der neu gewonnenen Stärke und Elastizität des
Stammes, dem sogar seine Narben noch mehr Stabilität verleihen. Der
Baum wiegt sich im Wind, nichts kann ihn umwerfen…usw…usf.. Als der
Patient wieder aus der Trance erwacht, stellt er zu unser beider Erstaunen
fest, dass sein Schmerz verschwunden ist und er aufrecht und beschwerdefrei
gehen kann. Die Trance als solche kann zwar schon entspannend wirken,
sie ist jedoch hier nur das Türöffner zum Unbewußten. Die eigentlich
wirksame Botschaft steckt in der metaphorischen Geschichte vom Baum.
In dieser Geschichte ist kein einziges Mal von Rückenschmerzen, von
Nerven, Wirbeln, Muskeln usw. die Rede. Das Bild des Baumes wirkt dennoch
oder gerade deshalb, weil der Umweg einen bereits eingefahrenen Mechanismus
außer Kraft setzt: das krampfhafte , jedoch unbewußte Festhalten an
der Fehlhaltung, die den Schmerz weiter verstärkt.
Wichtig ist jedoch auch das Moment des "pacing" . D.h. der Therapeut
verwendet ein Bild aus einer vertrauten Sphäre des Klienten, nicht eine
Geschichte über Computer-Viren, Kabelsalat o.ä., wie sie vielleicht
bei einem Technik-versessenen Computer-Freak angebracht gewesen wäre.
Pacing meint hier etwas wie "im gleichen Schritt oder Rhythmus" gehen
wie der Klient. aber auch "die gleiche Bilderwelt" verwenden, die neue
Information im vertrauten Gewand anbieten.
Einige von Ihnen werden dieses Prinzip aus dem NLP kennen, wo man über
die Passung der Bilder hinaus geht und großen Wert auf die bevorzugten
Sinneskanäle legt.
Je nachdem ob man einen mehr auditiven, kinästhetischen, optischen oder
gustatorischen Menschen vor sich hat, wird man die Bilder aus dem bevorzugten
Sinnesbereich wählen.
Spricht ein Klient von dem Dunkel, in dem er herumtappt, von keinem
Licht am Ende des Tunnels, von der Sehsucht nach Durchblick, dann
wird in der Reaktion des Therapeuten tunlichst nicht davon die Rede
sein, wie dissonant dies Leben wohl gerade ist und wie die Sehnsucht
nach Harmonie deutlich hörbar für ihn wurde.
Man könnte also von einer Passung, wie bei Schloß und Schlüssel
sprechen, oder von der Resonanz zwischen den Tönen, die der Therapeut
anstimmt und der inneren Gestimmtheit des Patienten, oder von Kongruenz
zwischen der inneren Landkarte (cognitive map) des Klienten und dem
zugleich bestätigenden und neu orientierenden Bild, das der Therapeut
ihm anbietet.
Sie merken schon: Die Suche nach Sinn ist eng mit unseren Sinnen verbunden.
Ein 2. Fallbeispiel (Falke und Ameise)
soll zeigen, dass das Finden der geeigneten Metapher auch dem Patienten
überlassen werden kann:
Ein ca 40-jähriger Mann (ich nennen ihn hier Herrn Umbruch) kommt in
die Heidelberger Phoniatrie, weil er seit Monaten mit plötzlicher Atemnot,
ja Erstickungsanfällen mit Todesangst zu kämpfen hat. Es handelt sich
nach der ärztlichen Diagnose um Laryngo-Spasmen (also Stimmband-Krämpfe),
bzw. auch eine "Vocal cord-dysfunction", die häufig als Asthma
fehldiagnostiziert wird.
Der Patient arbeitet in einem großen Unternehmen als Ingenieur und hatte
vor kurzem mit seinen Mitarbeitern eine Maschine in Rekord-Zeit für
eine Weltausstellung entwickelt. Unmittelbar danach musste er seinen
Posten als verantwortlicher Chef seines Konstruktions-Teams eintauschen
gegen eine uninteressante Stellung im Kundenservice, wo er einer unter
vielen ist und keine Untergebenen mehr hat.
Die berufliche Umbruchsituation erlebt er als Degradierung und Kränkung.
Er ist gleichzeitig im Zweifel, was tatsächlich sein eigener Anteil
an diesem Absturz sei.
Einige Wochen nach dieser einschneidenden Veränderung tritt das Symptom
auf, das er seither fast jede Nacht mit zunehmender Panik erlebt.
In den ersten Gesprächen kommen wir zu folgender Einschätzung seiner
Lage:
-
Hier hat äußerlich ein Wechsel in den Anforderungen
und in der beruflichen und persönlichen Identität des Patienten stattgefunden,
den er innerlich noch nicht mit vollzogen bzw. integriert hat.
-
Die Stimmbänder sind ein äußerst sensibles Organ,
das - wie andere Muskelsysteme auch - durch Ambivalenz der Impulse
gelähmt werden kann. Wenn man gewöhnt ist, für die Bereitstellung
von Höchstleistung sehr intensiv nach Luft zu schnappen, plötzlich
jedoch zur Ruhe und Neuorientierung, d.h. zu einem eher meditativen
Energie-Level gezwungen ist, bekommen die Stimmlippen zwei sich
gegenseitig blockierende Bewegungsimpulse, die zu einer Blockade
führen können.
Ich schlage ihm nun vor, sich sowohl für die bisherige
Tätigkeit als auch für die jetzige ein Symbol auszudenken. Wie würde
er seine bisherige Existenz symbolisch ausdrücken, wie seine neue:
Herr Umbruch muss nicht sehr lange überlegen: Ihm fallen spontan zwei
Tiere ein, die für ihn sehr gut symbolisieren, in welcher Spannung und
in welchem Dilemma er sich befindet:
-
Bisher sei er ein "Falke" gewesen. Der schwebe
hoch oben, habe den totalen Überblick, könne aber jederzeit herunter
stoßen und greifen. Andererseits habe er kaum Bodenkontakt, er sei
ein Überflieger.
-
Jetzt hingegen sei er eine "Ameise" Er sei
eingegliedert in ein großes System, sei darin ein kleines unbedeutendes
Rädchen im großen Getriebe. (neue Metapher in der Metapher).
-
Der Ruf, den er sich in seinem "Falken-Job" erworben
hat, sei durchaus ambivalent: Man habe ihm vorgeworfen, er sei keine
gute Führungskraft, er habe die Leute zu sehr gepusht, ihm fehle der
Bodenkontakt usw. Jetzt habe er von seinem Chef das "grounding"
(Metapher vom Bodenkontakt) verordnet gekriegt. Er dürfe nicht mehr
zu den meetings der anderen "Falken", sondern müsse den Kontakte zu
den "Ameisen" pflegen. Ich kommentiere: Die haben ja einen sehr guten
Bodenkontakt und kennen sich sogar im Unterirdischen aus.
In den folgenden Stunden wird die Metapher zum Ritual
erweitert: (auch hier: Die Inszenierung..)
Ich mache ihm den Vorschlag, dem Falken ein Ehrenbegräbnis zu geben,
um sich von dieser Gestalt innerlich verabschieden zu können. Wichtig
sei dabei ein würdigender Grabspruch, in dem die Leistungen und Verdienste
des Falken noch einmal hervorgehoben werden.
Er reagiert auf diesen Vorschlag stark emotional mit Tränen. Darin kann
sich sowohl die Trauer um den nun endgültiger erscheinenden Abschied
von seiner bisherigen Existenzform ausdrücken, als auch das Erleben
der Würdigung und Rehabilitation des Falken, die dem Abschied eher eine
erlösende Gestalt geben kann.
Die Therapie wird ergänzt durch logopädische Übungen,
in denen ebenfalls der Bodenkontakt, das "grounding", sowie das richtige
Atmen ein zentrale Rolle spielen. D.h. die metaphorisch angebahnte
Umorientierung wird ergänzt durch die sinnlich spürbare leibliche Erfahrung:
Wie ist es , wenn ich nicht mehr über dem Boden schwebe, sondern den
Kontakt zum Boden, die Erdung mit den Füßen spüre?
Wie ist es, wenn ich nicht mehr in Daueranspannung, sozusagen einem
ununterbrochenen Einatmen befangen bin, sondern das Ausatmen und die
"Atem-Pause" genießen kann?
Die Häufigkeit des Symptoms geht innerhalb weniger Wochen
deutlich zurück.
Herr W. berichtet stolz, er habe den Falken im Rhein versenkt und
ihm einen schönen Spruch mitgegeben. Danach sei es ihm richtig gut gegangen.
Ihm sei bewusst geworden, dass er in dieser (Falken-) Phase einfach
sehr viel für sich gelernt habe und das könne er mittlerweile auch unabhängig
davon sehen wie andere seine Leistung bewerten.
Die Symptomatik ist schließlich in der drei Monate später erhobenen
Epikrise so gut wie verschwunden.
In den dargestellten Fall-Vignetten werden die
fließenden Übergänge von vier nahe verwandten Phänomenen der psychischen
Wirklichkeits-bewältigung deutlich:

Es sind dies:
-
Symbol
-
Metapher
-
Ritual
-
Trance
4) Ich will versuchen, diese
Phänomene begrifflich zu differenzieren:
-
Symbol und Metapher haben vom Wortsinn her
etwas gemeinsames.
Es wird hier etwas zusammengefügt (sym-ballein= zusammenwerfen) oder
etwas übertragen (metá -phorein= hinübertragen), was vielleicht ursprünglich
zusammengehörte, oder was gerade durch sein paradox erscheinendes
Zusammenfügen einen neuen tieferen Sinn bekommt.
In geschichtlicher Frühzeit, bzw. in noch bestehenden animistischen
Kulturen, haben Symbole nicht nur den Hinweis-Charakter, den sie für
uns moderne Menschen haben, (wie etwa Kreuze oder Hähne auf Kirchtürmen,
oder Piktogramme am Flughafen) sondern sie können in bestimmten Kontexten
unmittelbar magisch wirken. Das Pentagramma oder der Drudenfuß über
der Tür sollte bis ins hohe Mittelalter das Eindringen des Teufels
ins Haus verhindern, wie wir noch aus Goethes Faust wissen.
-
Die Metapher ist demgegenüber eher ein Mittel
zum Zweck. Mit ihrer Hilfe kann das zu Verdeutlichende in einen anderen
Kontext, in einer anderen sinnlichen Umgebung gleichnishaft dargestellt
werden. Der geknickte Baumstamm "ist" dann gleichsam die verkrampfte
Wirbelsäule. Die Ameise ist der am Boden kriechende, gedemütigte Held.
-
Ritual:
Im zweiten Fallbeispiel wird die Metapher des Falken eingebunden in
ein Lösungsritual: Die Beerdigung, die zugleich eine Würdigung enthält
und damit das Verhaftet-Sein an die alte Indentifikationsfigur auflösen
kann.
Rituale sind auch im Alltag unserer modernen Welt immer noch sehr
präsent: (Nicht nur in den rituellen Symbol- Kulten moderner Jugend-Sekten
und -Subkulturen. Nicht nur im Fegefeuer - Ablasshandel auf dem Welt-Jugendtag,
der durch die bloße Teilnahme am Ritual geschieht Nein auch in den
entmythologisierten "rites de passage", wie Konfirmation, das Auto
zum Abitur , in der Tagesschau oder soap opera, die den Tag erst abschließt
sind quasi-rituelle Elemente enthalten.)
Sind die beiden ersten Begriffe eher bildhafter und statischer
Natur, so eignet den beiden letzten eher ein dynamischer handlungsorientierter
Charakter. Im Ritual wird eine symbolisch bedeutsame Struktur handelnd
vollzogen. Sie soll in den meisten Fällen eine Identität erneuern oder
transformieren. (STEVEN GILLIGAN, 1991)
-
Die Trance, die in fast allen älteren Ritualen
das symbolische Geschehen begleitet, ist selber inhaltsleer, nur ein
Instrument, das darauf abzielt Teile des Alltagsbewußtseins auszublenden
um tiefer liegende Bedeutungen und Zusammenhänge freizulegen und das
holistische Erleben zu intensivieren. In der Trance können symbolische
Inhalte, Märchen, Parabeln etc. utilisiert und als Botschaften in
hypnoptische Texte verpackt werden, wie dies Milton Erickson in meisterhafter
Form demonstriert hat. (vgl. J. MILLS, R. CROWLEY 1998, S. 64)
Für unseren Zusammenhang wichtig erscheint eine Gemeinsamkeit,
die alle vier Begriffe (Symbol, Metapher, Ritual, Trance) miteinander
teilen:
Sie ermöglichen eine teilweise Reduktion des eher sequentiellen,
linkshirnigen Denkens zugunsten von eher prälogischen, oft auch präverbalen,
ganzheitlichen und synkretistischen Wahrnehmungs-und Verarbeitungsmustern.
Jetzt merken Sie an meiner Sprache, dass die heutzutage unvermeidliche
Neuro-Forschung ins Spiel kommt.
5) Die hirnphysiologische
Betrachtung und das sog. "Reframing". (Hüther)
Dass unser Denken eng an leibliche Metaphern und Bilder
gebunden ist, hat uns in jüngster Zeit wieder die Hirnforschung bewusst
gemacht, die uns ja all das, was wir immer schon ahnten oder wussten,
in so anschaulicher, ja eben bild-gebender Metaphorik wissenschaftlich
bestätigt:
Der bekannte Hirnforscher GERALD HÜTHER beschreibt in
seinem Buch "Die Macht der inneren Bilder" basale Formen von Überlebensstrategien,
die lebende Organismen im Laufe der Evolution entwickelt haben: Die
eine, der die Weitergabe genetischer Anlagen durch massenhafte Vermehrung
gelang, war darauf angewiesen, dass ihre Lebenswelt weiterhin so blieb,
wie sie einmal gewesen war, als ihre erfolgreichen Handlungsmuster entwickelt
wurden. Für schnelle und radikale Veränderungen ihrer Umwelt sind sie
nicht ausgerüstet. "Das Mitschleppen von Bildern, die nicht unmittelbar
dem Zweck der massenhaften Reproduktion dienten, war ein Luxus, den
sich diese Lebensformen nicht leisten konnten."
Diejenigen Lebensformen, die ihre genetischen Anlagen nicht durch massenhafte
Vermehrung weitergeben entwickelten ".…ein immer größer und komplexer
werdendes Repertoire an unterschiedlichsten Verhaltensreaktionen…...",
die schließlich zu der komplexen Struktur unseres Gehirns führte. Diese
erwies sich als geeignet ," handlungsleitende innere Bilder in Form
bestimmter Aktivierungs-und Interaktionsmuster zwischen besonders "interaktions-freudigen"
Zellen zu generieren, diese in Form neuronaler Verschaltungsmuster abzuspeichern
und zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung des Gesamtsystems zu nutzen.
Mit Hilfe dieses neuen ‚Bilder generierenden Apparates' wurde
es nun auch erstmals möglich, im Laufe des eigenen Lebens gemachte Erfahrungen
in Form bestimmter neuronaler und synaptischer Verschaltungen fest zu
verankern und zur Bewältigung neuer Probleme und Herausforderungen einzusetzen.
Mit Hilfe der Sprache….wurden diese inneren Bilder dann sogar übertragbar,
kommunizierbar. ……Ein ständig wachsender, kulturell tradierter Schatz
kollektiver Bilder….erweist sich als mächtiges Werkzeug zur Gestaltung
der äußeren Welt und der eigenen Entwicklungsbedingungen" (G.HÜTHER
,a.a.O. S., 37)
Gleichzeitig wissen wir, dass gerade im Beharrungsvermögen
mancher innerer Bilder auch die negative Möglichkeit der neurotischen
Fehlhaltung liegt. Wir nennen dies im hypnotherapeutischen Jargon auch
eine Problem-Trance, weil die Verengung des Blicks auf das Problem quasi-hypnotische
Züge trägt.

"Wenn jetzt nicht gleich eine Weiche kommt, sind
wir verloren"
Eine an Anorexia nervosa leidende junge Frau sieht sich
in der inneren Repräsentanz ihres Körpers permanent als zu dick, obwohl
sie schon zum Skelett abgemagert ist. Ein depressiver Mensch hat unzählige
Bilder vom eigenen Versagen, von der Vergeblichkeit aller Bemühung und
vom Nicht-Geliebt-Werden gespeichert. Zu den tatsächlich auch erlebten
positiven Erfahrungen hat er keinen Zugriff mehr, obwohl sie durchaus
in einem anderen Schaltkreis seines Gehirns abgespeichert sind.
Die in der modernen Psychotherapie (aber auch im Witz und im Märchen)
gängige Praxis des "Reframings" setzt genau hier an:
Das festgefahrene Bild wird in einen neuen, zunächst absurd anmutenden
Kontext gestellt und kann gerade dadurch plötzlich kippen.
Der Inhalt des schädlichen inneren Bildes wird nicht verändert.
Aber im neuen "Frame" erkennt man plötzlich seine Absurdität, und/oder
man erkennt bisher übersehene Handlungsmöglichkeiten.
In der Sprache des Neurobiologen HÜTHER klingt
das dann so: Ankommende Sinnesdaten generieren in unserem Gehirn ein
bestimmtes "Erwartungsbild" in Form eines Erregungsmusters.
Stimmt dieses mit den vorhandenen, gespeicherten völlig überein, so
kann routinemäßig gehandelt werden. Besteht hingegen keinerlei Übereinstimmung,
so passiert gar nichts, weil das Gehirn die neuen Daten als unsinnig
oder belanglos verwirft.
"Wirklich interessant wird es nur, wenn das alte bereits vorhandene
Muster und das neue, eben entstandene Aktivierungsmuster zumindest teilweise
übereinstimmen und überlagerbar sind. Das im Kortex entstandene ‚Erwartungsbild'
muß dann geöffnet und entsprechend modifiziert werden. Anschließend
wird es erneut mit den neu eintreffenden Erregungsmustern verglichen.
Dieser Prozess wiederholt sich so lange, bis ein neues, erweitertes
inneres ‚Erwartungsbild' entstanden ist, das sich nun endlich mit dem
tatsächlichen Wahrnehmungsbild deckt. Die neue Wahrnehmung ist dann
in den Schatz der bereits vorhandenen inneren Bilder integriert worden.
Man hat etwas dazu gelernt." (HÜTHER a.a.O. S76,77)
Dies ist mit anderen Worten die genaue Beschreibung dessen, was im therapeutischen
Reframing passiert.
6) Die Funktion der Metapher
als "Vergegenständlichung" eines abstrakten Zusammenhangs
-
Metaphern scheinen ein hilfreiches, ja geradezu notweniges
Instrument zu sein, um die Vielfalt der Eindrücke und Erfahrungen
zu bündeln und in die Persönlichkeit integrierbar zu machen. Untersuchungen
von POLLIO et al. (Hilsdale 1977) haben eine positive Korrelation
zwischen der im Persönlichkeitstest gemessenen "Integrität und Reife"
von Studenten und der Häufigkeit des Metaphern-Gebrauchs gefunden.
Umgekehrt scheinen extrem traumatisierte Menschen kaum noch in der
Lage, bildhafte Wendungen zu finden, sondern neigen eher zu einem
konkretistischen, buchstäblichen Umgang mit sich und der Welt. (I.
GRUBRICH-SIMITIS)
-
" Die Bündelung eines ganzen Lebensabschnittes, einer
dazugehörigen Haltung und Einstellung und eines damit verbundenen
Problems im Bild des Falken weist auf etwas hin, das LAKOFF & JOHNSON
(1980) als Transfer vom Abstrakten zum körperlich Sinnlichen, bzw.
als "Embodiment" bezeichnet haben. Durch den Rückgriff auf die kulturell
hypostasierte Qualität eines heraldischen Tieres, wird ein Charaktermerkmal,
ein Verhaltenstypus blitzschnell umrissen, wofür man sonst eine umständliche
Beschreibung bräuchte, die sich gleichzeitig dem Gedächtnis nicht
so einprägen würde.
-
" Dabei werden jedoch nur Teile übertragen, niemals
das Ganze (pars pro toto), es ist wie bei einem Lichtkegel, bzw. einer
Focussierung. MAX BLACK (1983) spitzt dieses Bild noch zu, indem er
konstatiert: "Jede Metapher ist die Spitze eines untergetauchten
Modells".
7) Metaphern des Helfens
sind immer auch solche untergetauchten Modelle. Sie bilden
nicht nur eine augenblicklichen Situation oder Stimmungslage ab, sondern
sie entsprechen auch bestimmten Menschenbildern oder Funktionsmodellen
der Psyche.
Schaut man sich den Katalog der gängigsten Bilder an, so findet man
z.B.
-
das Modell des Weges, das dem Verirrten wieder heimwärts
finden hilft…
-
das Modell der Last, für die jemand Unterstützung
braucht
-
das Modell des Dunkels, in das Licht gebracht werden
soll
-
das Modell der Erstarrung oder des Einfrierens, das
Lösung oder Auftauen braucht
-
das Modell der Lebens(haus-)aufgaben und des Lernens,
-
moderne Modelle, wie verschwundene oder gelöschte
Dateien, in denen Ressourcen verborgen sind.
-
Je nachdem, welchem dieser Modelle wir grundsätzlich
eher zuneigen, aktivieren wir innerlich andere Erkenntnis- und Handlungs-Perspektiven.
Daß solche Modelle natürlich auch immer geprägt sind von der Kultur,
in der wir leben, versteht sich von selbst. Ein türkischer "Nabel-Heiler"
hat bei Erkrankungen, die wir in unserem Kontext als typische "burn-out"
oder Depressions-Symptome deuten würden, die Vorstellung, dass der
Nabel aus seiner Mitte geraten ist und er wird dementsprechend eine
Kur verordnen, bei der der Nabel des Patienten wieder in seine Mitte
gebracht wird.
-
Unsere moderne Organ-Medizin ist fixiert auf ihr pharmakologisches
und mikrobiologisches Paradigma. Deshalb betrachtet sie das Phänomen
der Placebo-Wirkung von Medikamenten nur unter dem Aspekt der unerwünschten
Störung. Würde sie das Paradigma wechseln, dann könnte sie die Placebo-Wirkung
auch als eindrucksvollen Nachweis von höchst wirksamen inneren Bildern
der Patienten untersuchen.
-
Metaphern können auch ungewollt enorme Wirkung entfalten:
(Beispiel mit dem Herz-Galopp aus J. Achterberg, 1990 )
8) Zusammenfassung
Fassen wir also die wichtigsten Beobachtungen nochmals
zusammen:
-
Sprache scheint ohne bildhafte Vergegenständlichung
kaum auszukommen . Die Verkörperlichung (Embodiment) abstrakter Zusammenhänge
ist dabei ein wesentliches Moment.
-
Durch Paradoxie und Paralogie können Metaphern neue
Verbindungen, neuen Sinn herstellen
-
Therapeutisch wichtig sind: Kongruenz der inneren
Bilderwelt von Sender und Empfänger . (situativ u. kulturell best.)
-
Dafür notwendig: Empathie, heuristisches Verstehen,
Relativierung eigener Modelle (Hammer u. Nagel) und Inszenierung
-
Neurologisch: Bekanntes, also kein "nonsense" Unbekanntes,
also Neugier weckend.
-
Prälogisch, ganzheitlich, konnotativ, d.h. gefühlsnäher,
näher am Ubw: Finden kreativer Lösungen
"Analogien, Metaphern und Sinnbilder sind Fäden,
mit denen der Geist mit der Welt in Verbindung bleibt, auch wenn er
- geistesabwesend- den unmittelbaren Kontakt zu ihr verloren hat, und
sie gewährleisten die Einheit der menschlichen Erfahrung" (Hannah
Arendt 1997)
Verwendete Literatur:
ACHTERBERG, J. 1990, Gedanken heilen, Reinbek
BOSCOLO et al., 1993, Familiendynamik, Heft 2, S.111
BÜHLER, KARL ; 1934 Die Darstellungsfunktion der Sprache, Jena
BLACK, MAX , 1983, (in HAVERKAMP 1983, Die Metapher)
FISCHER, H.R. (2003) in Familiendynamik,
GRUBRICH-SIMITIS, (1984) Vom Konkretismus zur Metaphorik, Gedanken zur
psychoanalytischen Arbeit mit Nachkommen der Holocaust-Generation, Psyche
1984, Nr. 1, S. 1-28
GILLIGAN,S (1991) Therapeutische Trance Carl Auer Heidelberg
HÜTHER, GERALD, 2004 Die Macht der inneren Bilder
LAKOFF & JOHNSON (1980) Metaphors, we live by, Chicago
MILLS, J. ,. CROWLEY, R 1998, S. 64
POLLIO et al. Hilsdale 1977
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